„Immer wenn ich eine Geschichte schreibe, fühle ich mich als ob ich Mitglied in der Geschichte wäre. Als ich die Geschichte mit dem Baum schrieb, fühlte ich mich als ob ich selber der Baum wäre oder als ob ich mit dem Herzen des Baumes sehen und fühlen kann“ , schreibt ein Teilnehmer einer Schreibwerkstatt für Menschen mit geistiger Behinderung. Er wohnt in der anthroposophischen Einrichtung Haus Sonne in Walsheim, wo er an der von der BundesElternVereinigung für anthroposophische Heilpädagogik und Sozialtherapie geförderten „mittelpunkt“-Schreibwerkstatt teilnimmt. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf kreativer Biographiearbeit.

Warum haben Menschen das Bedürfnis, ihr Leben zu beschreiben? Viele meiner eigenen Kursteilnehmer möchten ihre Kinder und Enkel an ihrer Vergangenheit teilhaben lassen.Manchen aber ist anzumerken, dass sie sich etwas von der Seele schreiben wollen und sich dann besser fühlen. So geht es auch einer Teilnehmerin einer „mittelpunkt“-Schreibwerkstatt. „Das Schreiben bringt mich immer auf gute Ideen und es löst mich sehr, weil ich nicht jedes Mal so traurig bin“, formuliert sie.

Ingeborg Woitsch, Gründerin der Schreibgruppen, stellt bewusst Aufgaben, die zur „Seelenhygiene“ beitragen. „Drei glückliche Momente“ sollen ihre Teilnehmer beschreiben, oder in wen oder was sie sich einen Tag lang verwandeln wollen. Die Teilnehmer beginnen über sich selbst nachzudenken: „Behindert sein“ heißt eines der Themen, zu dem die Schreibenden der Dorfgemeinschaft Münzinghof Texte verfasst haben. „Ich schaue mir erst einmal die Gruppe an, bevor ich entscheide, welche Aufgaben ich stelle. Wer kann schreiben, wer braucht einen Assistenten zum Diktieren und wie ist die Stimmung“, sagt Ingeborg Woitsch. Bis zum Jahr 2014 möchte sie ein Netzwerk von Schreibgruppen innerhalb von anthroposophischen Einrichtungen aufbauen, möglicherweise auch darüber hinaus.

Ich finde die Idee, Biographiearbeit mit geistig Behinderten zu machen, ganz toll. Schau Dir doch mal an, Grit, was für Texte dabei entstanden sind: www.mittelpunktseite.de .

 

1 Kommentar

  1. Grit Kramert

    Liebe Katja,
    die Camphill Dorfgemeinschaft Hausenhof ist auch Teilnehmer der Mittelpunkt Schreibwerkstatt. Auf ihrer Homepage ist zu lesen: „Behinderung wird in erster Linie nicht als Defizit, sondern als besonderer Ausdruck der Individualität des einzelnen Menschen gesehen. Körperliche oder seelische Beeinträchtigungen können dazu führen, dass das Ich des Menschen nur verzerrt in Erscheinung treten kann, so dass sich das äußere Behinderungsbild ergibt.“ Das spiegeln meiner Ansicht nach viele der Texte aus der Mittelpunkt Schreibwerkstatt wider. Sie sind sehr sinnlich und teilweise von großer Tiefe, die die Schreibenden auf andere Weise vielleicht nur sehr schwer oder gar nicht zum Ausdruck bringen könnten. Außerdem hat das schriftliche Formulieren der eigenen Gedanken ja auch eine große Wirkung auf das eigene Selbst, wie Du bereits in Deinem Artikel beschriebst. Also, die mittelpunkt-schreibwerkstatt ist auch aus meiner Sicht ein sehr wertvolles Projekt.