Corona hat unser Leben drastisch verändert. Wir sind immer noch eingeschränkt. Für manche bedeutet das weitaus mehr Auslastung, weil sie Arbeit, Haushalt und Kinder, die den ganzen Tag in der Wohnung sind, jonglieren müssen.
Es gibt aber auch Menschen, die jetzt weniger zu tun haben, weil alle Aktivitäten abgesagt sind und man niemanden treffen kann. Sie vielleicht, die Sie diese Zeilen gerade lesen? Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, endlich einmal mit dem anzufangen, mit dem man sich schon immer mal beschäftigen wollte: Die Autobiografie, das eigene Leben aufzuschreiben.
Was eigentlich so einfach ist,
ist doch nicht so einfach: Sich an den Computer zu setzen und einfach mit der Autobiografie loszulegen. Corona hin oder her.
Vielleicht können wir als Biografinnen Sie anstupsen? Ich habe meine Kolleginnen gefragt, welches Biografie-Buch sie Ihnen am meisten empfehlen und warum. Zusätzlich gibt es noch einen Tipp dafür, wie man es dann schafft, wirklich loszulegen mit der Autobiografie.
Die kleine Reihe „Buchtipps von Biografinnen“ wird fortgesetzt von meiner Kollegin Rachel Fey aus Hamburg, die Biografien und Familiengeschichten zu Papier bringt, in Seminaren und Coachings ihr Wissen weitergibt und sich gern mit konzeptionellen und methodischen Fragen beschäftigt.
Rachel, welches Buch empfiehlst Du jemandem, der oder die sich daran macht, das eigene Leben aufzuschreiben?
Biografiearbeit als Schatzsuche. Grundlagen und Methoden von Hubert Klingenberger und Erika Ramsauer.
Warum findest Du dieses Buch hilfreich?
Mit den drei Buchtipps von Adele von Bünau, Michaela Frölich und Christiane Hartmann wurden bereits drei Titel vorgestellt, die sich mit dem Schreiben einer Autobiografie beschäftigen. Damit sind die Leser dieses Blogs hervorragend für den Einstieg ins autobiografische Schreiben ausgestattet. Deshalb möchte ich die Reihe um ein Buch ergänzen, das sich nicht mit dem Aufschreiben der eigenen Lebensgeschichte befasst. Es kann aber in der konzeptionellen Phase äußerst nützlich sein. Ich empfehle das Buch, weil es dazu animiert, nicht nur zu fragen, was man erlebt hat, sondern auch wer man dabei geworden ist.
Die Autoren kommen aus dem Bereich Coaching und haben ein Handbuch zusammengestellt, das sich zum einen an Menschen richtet, die in der Erwachsenenbildung oder der Beratung tätig sind. Es richtet sich aber auch an jene, die sich intensiv mit dem eigenen Leben auseinandersetzen möchten. „Biografiearbeit als Schatzsuche“ ist keine Anleitung zum Schreiben. Es zeigt vielmehr auf, wie man sich mit der eigenen Lebensgeschichte beschäftigen kann. Und es zeigt auf, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben: Für die persönliche Entwicklung und einen optimistischen Blick auf die Zukunft.
Aufbrechen der Chronologie
Für angehende Autobiografen sind insbesondere die ersten beiden Kapitel eine Offenbarung: Die chronologische Sichtweise auf die „Biografie“ wird aufgebrochen und die Autoren eröffnen einen überraschenden Blick auf verschiedenste Aspekte, unter denen das eigene Leben betrachtet werden kann: Es umfasst so viele Bereiche, die sich in „biografischen Strängen“ von der Jugend bis ins Alter ziehen! Da ist die Geschichte unserer sozialen Beziehungen. Da ist aber auch unsere ökologische Biografie, da sind die Arbeits- oder Geschlechterbiografie.
Ein „ABC der Alltagskultur“ bietet einen großen Fundus an Anregungen, um sich an Dinge zu erinnern. Einzeln betrachtet sind sie banal . In ihrer Gesamtheit gesehen regen sie aber dazu an, unsere Autobiografie um Abschnitte zu erweitern, die viel über uns und unsere Werte aussagen.
Ganz praktisch bietet das Handbuch jede Menge konkreter Anregungen zur Selbstreflexion, die sich beim Schreiben einer Autobiografie hervorragend nutzen lassen. Außerdem werden über 50 kreative Methodentipps für die Gruppenarbeit vorgestellt, von denen sich die meisten auch allein umsetzen lassen.
Anspruchsvoll, aber klar aufbereitet
Keine Frage, der Inhalt des Buches ist anspruchsvoll, aber hervorragend aufbereitet:
Eine klare Gliederung, viele grafische Darstellungen und zahlreiche Infoboxen führen gezielt durch die komplexen Inhalte.
Das Buch ist meine Empfehlung für alle, die beim Schreiben der eigenen Lebensgeschichte auch psychologisch in die Tiefe gehen und ihre persönliche Entwicklung beleuchten möchten.
Hast Du noch einen Tipp für Menschen, die sich ans Schreiben ihres eigenen Lebens machen?
Suchen Sie sich Gleichgesinnte! Erzählen Sie Ihren Freunden und Freundinnen von Ihren Erfahrungen mit dem Schreiben ihrer Autobiografie. Vielleicht gelingt es Ihnen, den einen oder die andere davon zu überzeugen, ebenfalls zu schreiben. Zusammen macht es noch mehr Freude! Schreibgruppen treffen sich zur Zeit wegen der Corona-Beschränkungen natürlich nicht. Trotzdem ist es kein Problem, sich gemeinsam über die eigenen Schreiberfahrungen auszutauschen: Erzählen Sie sich am Telefon, worüber Sie zuletzt geschrieben haben, lesen Sie sich gegenseitig Ihre Texte vor, geben Sie sich Feedback und Anregungen! Denn der Gedankenaustausch mit einem Schreibpartner bzw. einer Schreibpartnerin ist die schönste und effektivste Art, langfristig am Ball zu bleiben, wenn es darum geht, über das eigene Leben zu schreiben.
Über die Biografin Rachel Fey:
Rachel Fey betreibt das Biografiestudio Rachel Fey in Hamburg und verfasst in Zusammenarbeit mit ihren Klienten Auftragsbiografien. Sie bringt Lebens- und Familiengeschichten in Buchform und unterstützt in Seminaren und Coachings Menschen dabei, selbst über ihr Leben zu schreiben.
Die Corona-Zeit nimmt sie zum Anlass, ab Mai 2020 ihr erstes Online-Schreibcoaching Mein Leben in zwölf Miniaturen für Einsteiger in das autobiografische Schreiben anzubieten.
Hubert Klingenberger und Erika Ramsauer: Biografiearbeit als Schatzsuche. Grundlagen und Methoden, 26 EUR
Lesen Sie auch den vorhergehenden Buchtipp der Biografiekollegin Michaela Frölich zum Schreiben der Autobiografie.