Das größte Kompliment für mich als Biografin ist der Satz: Als ich das Buch gelesen habe, meinte ich, XY sprechen zu hören. Echt klingen – das ist mein Ziel.

Wie kriegt man das hin? Erstmal durch gutes Zuhören. Schon beim Gespräch mit dem Kunden oder der Kundin achte ich auf die sprachlichen Eigenheiten meines Gegenübers. Vor allem auf Wörter oder Sätze, die öfter fallen. Später beim Abtippen des Gesprächs höre ich noch mehr, was mir vorher entgangen ist. Für diese Wörter und Sätze lege ich mir eine Extraliste an, in die ich beim Schreiben des Textes immer wieder schaue.

Aber Vorsicht. Ich übernehme natürlich nicht 1 zu 1, was ich höre, bloß weil es echt ist. Sprache ist empfindlich. Ein einziges falsches oder falsch platziertes Wort kann das ganze Gefüge ändern.

Wörter unter die Lupe nehmen

Schauen wir uns doch mal ausgewählte echte Wörter echter Kunden an:

  • Kolossal
  • kurios
  • Denn statt dann
  • nachher statt später
  • Knall auf Fall
  • Das ist halt Scheiße 
  • Krass

Man kann sie in drei Benutzungskategorien einteilen:

  • a. auf keinen Fall benutzen (oder nur seeehr ausnahmsweise)
  • b. manchmal
  • c. etwas öfter möglich.


In a. – auf keinen Fall benutzen (oder nur sehr, sehr selten):

gehört natürlich Das ist halt Scheiße. So einen Satz möchte keine*r in seiner oder ihrer Biografie lesen, auch wenn er oder sie ihn noch so oft im echten Leben sagt. In einer Biografie muss die Sprache angehoben werden. Die einzige Möglichkeit, den Satz unterzubringen, ist, ihn in einen Dialog einzubauen und entsprechend einzubetten. Etwa: „Das ist halt Scheiße“, rutschte es mir heraus. So stellt man den Erzähler oder die Erzählerin nicht bloß und überträgt dennoch den Sprechcharakter in den geschriebenen Text.

Das Wort krass ist ein Grenzfall, weil es etwas umgangssprachlich daherkommt. Aber es ist keine Fäkalsprache und deswegen eigentlich unverfänglich. Als Biograf*in kann man den Versuch machen, es unterzubringen und schauen, wie der Kunde oder die Kundin darauf reagiert. In meinem Fall stand die Kundin dazu und das Wörtchen krass hat alle Korrekturdurchgänge bis zum Erscheinen der Biografie überlebt.

In b. – manchmal

gehören kolossal, kurios und Knall auf Fall. Der entsprechende Herr und die nicht dazugehörige Dame benutzten diese drolligen Wörter recht häufig in ihren Erzählungen. Ich finde, sie passen echt gut zu den beiden! Sie klingen heutzutage aber etwas altmodisch, deshalb habe ich sie eher sparsam eingesetzt. Aber doch so oft, dass man beim Lesen gleich an den Urheber beziehungsweise die Urheberin dieser Wörter denkt.

In c. – etwas öfter möglich

sortiere ich, wenn ich meine Kundin etwa sagen lasse: Und denn gingen wir ins Kino, statt: und dann gingen wir ins Kino. Oder: Nachher kam alles anders statt: Später kam alles. Die Dame stammt aus Norddeutschland. Die regionalen, aber nicht besonders auffälligen sprachlichen Besonderheiten übernehme ich gern. Aber ebenfalls vorsichtig dosiert, denn auch hier soll der Lesefluss fließen. Außerdem möchte ich die liebenswerte Erzählerin mit ihrem sogenannten Regiolekt nicht bloßstellen.

Wenn ich mir nicht sicher bin, wie es richtig klingt, wende ich einen altbekannten Trick an: ich lese mir den Text laut vor. Was dann nicht echt, sondern komisch klingt, muss geändert werden. Oder es fliegt raus.