Immer wieder passiert es, dass die Kund*innen in den Gesprächen mit mir ins Ausufern kommen und den Faden beim Erzählen verlieren. Besonders am Anfang meiner Karriere als Biografin habe ich mich manchmal nicht getraut, sie beim Abschweifen zu unterbrechen.
- Ich wollte nicht unhöflich sein.
- Ich hab gedacht, ich verpass vielleicht was Wichtiges, worauf sie kommen, wenn sie noch weiter reden.
- Ich hatte zuviel Respekt vor meinem Gegenüber.
Auch heute fällt es mir noch manchmal schwer, die Leute beim Ausufern zu unterbrechen. Aber es funktioniert meistens doch, weil ich weiß, dass es besser ist für beide Seiten:
Kostbare Zeit geht flöten
Wenn ich da so sitze, sehe ich vor meinem inneren Auge die tickende Uhr und wie lange es dauert, wenn ich mein Gegenüber reden lasse. Dabei geht es nicht nur die reine Redezeit in diesem Moment. Es geht auch um die Zeit, die es braucht, all das abzutippen, denn ich nehme das Gespräch auf. Diese Zeit stell ich den Kund*innen ja in Rechnung.
Energie und Konzentration verpuffen beim Erzählen
Natürlich sollen die Kund*innen loswerden, was ihnen wichtig ist. Aber wenn sie erstmal ins Ausufern geraten sind, verheddern sie sich manchmal in Kleinigkeiten, die für niemanden wichtig sind. Und wenn sie schon mal diesen Erzählpfad eingeschlagen haben, ist die Energie, zum Eigentlichen zurückzukommen, womöglich verpufft. Und die Konzentration auch.
Wichtige Infos werden vielleicht vergessen
Wenn meine Gesprächspartner*innen erstmal auf Abwege gekommen sind, vergessen sie manchmal das, was sie eigentlich sagen wollten. Und auch ich bin dann vielleicht so auf diese neuen Wege eingestiegen, dass ich manchmal den Fokus verliere, obwohl ich als Biografin eigentlich den Überblick behalten sollte.
Inzwischen habe ich mir ein paar Strategien erarbeitet, mit denen ich mein Gegenüber ganz vorsichtig beim Ausufern unterbreche. Denn natürlich sage ich nicht genervt: Jetzt reicht es, Herr XY. Kommen Sie mal auf den Punkt!
Strategie 1: Nie ohne Themenplan!
Schon immer habe ich meinen Kund*innen vor dem ersten Gespräch einen Bogen zugeschickt, auf dem sie wichtige Fragen beantworten sollen. Damit sparen wir Zeit. Inzwischen bin ich aber dazu übergegangen, die Gespräche noch genauer vorzubereiten. Ich bespreche mit meinen Kund*innen noch detaillierter vorher, welche Themen und Zeitabschnitte wir beim jeweiligen Treffen abklappern wollen. Und das bekommen sie dann auch schriftlich, damit sie sich innerlich darauf einrichten und im Gespräch daran entlanghangeln können. Das ist auch für mich eine Super-Handhabe, auf die ich immer wieder „pochen“ kann.
Strategie 2: Ich kündige an, dass ich unterbreche
Den meisten Leuten merkt man schnell an, ob sie Vielredner*innen sind oder ob man ihnen jedes Wort aus der Nase ziehen muss. Wenn sie zum Ausufern neigen, vereinbaren wir, dass ich sie unterbreche, wenn sie abschweifen. Wir klären vorher, dass das nicht böse gemeint ist, sondern nur förderlich fürs große Ganze ihrer Biografie. Ich habe noch nie erlebt, dass da jemand gereizt reagiert hat! Oder wir verabreden ein Handzeichen, wenn es zu ausufernd wird.
Strategie 3: Ich schaffe Verbindungen zum vorher Erzählen, weil dann die Unterbrechung nicht abrupt weg- sondern zum Ziel führt
Wenn man im Erzählen erstmal auf Abwege geraten ist, ist der Weg zurück manchmal nicht leicht zu finden. „Wo war ich nochmal stehen geblieben?“ Da ich aber alle Gespräche aufzeichne, hab ich Hand und Kopf frei, mir kleine Notizen zu machen. So kann ich mein Gegenüber locker zum Punkt zurückführen, an dem er oder sie auf Abwege geraten ist.
Alles wissen kann man nie – Fragen ist eine große Qualität vom Zuhören!
Man kann nicht alles wissen. Aber das zumindest wissen alle! Damit beruhige ich mich, wenn ich doch mal zögere, jemanden zu unterbrechen, weil ich mit Nachfragen was vertiefen oder auch zum Thema zurücklenken will.
Aber am Ende freuen sich doch alle, wenn ihnen mal jemand richtig zuhört!
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