Von Almut Schäfer

Es geschieht immer wieder, dass Nachkommen die Vergangenheit der Väter und Mütter nicht oder nicht in dem Umfang kennen wie er bei der Transkription der Dokumente zu Tage tritt. Da freut sich eine Einsenderin, dass ihr Vater nun doch noch die Briefe lesen kann, die dessen Vater aus dem Feld schrieb, und diese Briefe sind reine Verzweiflung, geschrieben in der Gewissheit, den Tod zu finden.
Es gab aber auch den Fall, dass ein heute 70-jähriger Mann, der per Zufall einen Koffer mit den Briefen seines gegen Ende des 2. Weltkrieges gefallenen Vaters fand, erst durch unsere Transkription dieser Briefe erfuhr, wie sehr der Vater ihn geliebt hatte.

Ich habe mich bisher auf die „Gnade der späten Geburt“ berufen und wollte von der jüngeren Vergangenheit nichts wissen. Aber wenn man diese Briefe liest, wird man einfach hineingezogen in die persönlichen Schicksale. Ich wundere mich immer wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit die Männer in den Krieg gezogen sind und mit welchem Gleichmut die Menschen im Krieg gelebt haben.

Ich war an der Transkription eines umfangreichen Konvoluts von Feldpostbriefen eines Offiziers einer Panzerbrigade beteiligt. Dieser Mensch schrieb wunderschöne Gedichte über die Tundra und wusste, dass sie am nächsten Tag von Panzern durchpflügt werden würde, aber er hat nicht einen Augenblick am Führer gezweifelt. Man erfährt hautnah nicht nur die Begeisterung und Liebe der Menschen zu Hitler, man liest auch die Zweifel.

Unvergesslich ist mir auch der Satz eines Großvaters, der seinen Enkel ermahnte in der Schule nur ja recht fleißig zu sein, denn wenn der Krieg gewonnen sei, brauche Hitler viele gute Leute für die Verwaltung, „für die einfache Arbeit haben wir dann Polacken und so’n Zeugs“.

Wenn ich solche Originaltexte aus der Zeit schon des ersten Weltkrieges lese, in denen unterschwellig das „Deutschland, Deutschland über alles“ mitklingt, wird mir beklemmend bewusst, dass diese Zeit gerade mal zwei Generationen hinter mir liegt (bzw. drei bis vier Generationen hinter den jetzt politisch aktiven Menschen).

 

 

Liebe Leserinnen und Leser, in fünf Blogbeiträgen haben uns Almut Schäfer und  die Sütterlin-Schreibstube von der AWO Konstanz von ihrer Arbeit mit eingesendeten Dokumenten in Sütterlin berichtet. Vielen, vielen Dank für all das Neue! Die AWO freut sich über Spenden.

Und Grit und ich freuen uns auf Kommentare und Ihr Mitmachen beim Gewinnspiel. Die Aufgabe: Schreiben Sie Grit oder mir, was in diesen beiden Zeilen in Sütterlin zu lesen ist:

Foto Biographiegespräch sütterlin

Als Gewinn winkt dieses neue Buch aus dem Knaur Verlag .

Sütterlinbuch

Herzlich, Katja und Grit.