Gerade ist Nur Mut herausgekommen, das neue Buch der feministischen Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen. Ein komischer Roman über vier skurrile Damen in einer Alten-WG. Ich habe das Buch noch nicht gelesen, möchte Ihnen aber Ihren Essayband Älter werden ans Herz legen. Das Büchlein besteht aus sehr kurzen, lose zusammenhängenden Notizen, die unheimlich klug sind und Spaß machen zu lesen. Testen Sie selbst:

 

„Vor vielen Jahren wohnte ein Mann in meinem Haus, dessen Würde, wie ich fand, Schaden nahm, weil er sich zu jugendlich inszenierte. Seine Garderobe viel zu modisch, das Haar blondiert, und sobald man in Sichtweite kam, federte er durchs Treppenhaus. Ich schätzte sein Alter auf Mitte sechzig. Wahrscheinlich lässt ihn diese angestrengte Verjugendlichung älter wirken als er ist, dachte ich. Dann starb er plötzlich, und ich erfuhr, dass der Tod ihn im Alter von fünfundsiebzig Jahren traf.“

 

„Symptom I

Untrügliches Anzeichen des Älterwerdens. Ich ertappe mich beim Konsum von Tierfilmen im Fernsehen. Das hätte ich nicht von mir gedacht. Ich höre aber wieder damit auf. Ich kann den verschmunzelten onkelhaften Tonfall der Kommentatoren nicht ertragen.“

 

„Grammatik

Das ist bekannt: Eine ältere Frau ist jünger als eine alte Frau. Wie groß muss doch die Angst vor dem Alter sein, dass sie sogar die Grammatik vergewaltig.“

 

Silvia Bovenschen: Älter werden. Notizen. 5. Auflage 21.6.2011, 8,95 EUR

1 Kommentar

  1. Grit Kramert

    Ja, liebe Katja, mit dem Altern ist das so eine Sache. Mir fällt dazu ein Zitat des Schauspielers Gustav Knuth ein: „Alle wollen alt werden, aber keiner will es sein.“ Wie wahr!Ich habe eine kleine Postkartensammlung mit mehr oder weniger weisen Sprüchen, darunter eine mit der folgenden Aussage des spanischen Philosophen José Ortega y Gasset: „Älter werden ist immer noch das einzig bekannte Mittel, um lange leben zu können.“ Auf der Karte abgebildet ist eine alte und majestätische Schildkröte mit vielen Falten und Schuppen… Ich denke, es täte uns gut, etwas von dem allgemeinen Jugendwahn abzukommen und vor allem die Qualitäten schätzen zu lernen, die ein voranschreitendes Alter auch mit sich bringen kann, zum Beispiel eine gewisse Gelassenheit und Ruhe.